New Device

Was ist ein “New Device” gemäß MDR und IVDR?

Einleitung

Die europäische Medizinprodukteverordnung (MDR, Verordnung (EU) 2017/745) und die In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR, Verordnung (EU) 2017/746) haben die Anforderungen an Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika erheblich verschärft. In diesem Kontext stellt sich die Frage: Was gilt als “New Device” (neues Medizinprodukt) gemäß MDR und IVDR? Welche Kriterien und regulatorischen Anforderungen müssen Hersteller beachten?


Definition eines “New Device” unter MDR und IVDR

Die Begriffe “New Device” oder “neues Medizinprodukt” sind in der MDR und IVDR nicht explizit definiert. Allerdings wird ein Medizinprodukt als “neu” betrachtet, wenn es:

✅ Ein völlig neues Design oder eine neue Technologie verwendet
✅ Eine neue medizinische Zweckbestimmung oder neue Indikationen aufweist
✅ Eine grundlegende Änderung eines bestehenden Produkts darstellt
✅ Zum ersten Mal auf dem europäischen Markt eingeführt wird
✅ Bisher keiner bestehenden Klassifizierung innerhalb der MDR oder IVDR zugeordnet war

🚫 Kein New Device ist:
❌ Ein Produkt, das nur geringfügige Änderungen an einem bestehenden Design aufweist
❌ Eine einfache Aktualisierung oder Modifikation eines zugelassenen Medizinprodukts
❌ Ein Produkt, das bereits in einer vergleichbaren Version auf dem EU-Markt existiert


Beispiele für ein “New Device”

Medizinprodukte nach MDR:

  • Neue Implantate mit innovativen Materialkombinationen
  • Wearable-Medizintechnik mit KI-gestützter Gesundheitsüberwachung
  • 3D-gedruckte personalisierte Prothesen
  • Roboter-assistierte chirurgische Systeme mit neuer Funktionalität

In-vitro-Diagnostika nach IVDR:

  • Molekulardiagnostik-Tests mit neuer Analysetechnologie
  • Bluttests für bisher nicht diagnostizierbare Erkrankungen
  • KI-basierte Diagnosesoftware für personalisierte Medizin
  • Neuartige Biomarker-Tests mit höherer Sensitivität und Spezifität

Regulatorische Anforderungen für ein “New Device”

Ein neues Medizinprodukt unterliegt strengen Zulassungs- und Bewertungsverfahren, insbesondere wenn es keiner bestehenden Produktklasse zugeordnet werden kann. Die zentralen Anforderungen sind:

1. Klassifizierung des New Device

Medizinprodukte werden gemäß MDR in Klasse I, IIa, IIb oder III eingestuft. Bei einem “New Device” erfolgt eine genaue Risikobewertung. Je höher das Risiko, desto strenger die regulatorischen Anforderungen.

Klasse Risikostufe Beispiel
I Niedrig Digitale Fieberthermometer
IIa Mittel Elektrochirurgische Instrumente
IIb Hoch Beatmungsgeräte
III Sehr hoch Implantierbare Herzschrittmacher

2. Klinische Bewertung und Performance-Studien

Für neue Medizinprodukte sind umfangreiche klinische Daten erforderlich, darunter:

  • Klinische Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit
  • Vergleichsdaten mit bestehenden Produkten
  • Leistungsstudien für In-vitro-Diagnostika gemäß IVDR

3. Technische Dokumentation und CE-Kennzeichnung

Hersteller müssen eine vollständige technische Dokumentation gemäß Anhang II und III der MDR/IVDR erstellen. Diese umfasst:

  • Produktbeschreibung und Spezifikationen
  • Risikomanagementakte
  • Nachweise zur Biokompatibilität und Sicherheit
  • Gebrauchsanweisung und Etikettierung

4. Konformitätsbewertung und Notifizierte Stellen

Je nach Klassifizierung des New Device ist eine Benannte Stelle (Notified Body) erforderlich, die den Konformitätsbewertungsprozess begleitet.

  • Klasse I: Selbstzertifizierung durch den Hersteller
  • Klasse IIa, IIb, III: Notifizierte Stelle prüft technische Dokumentation, klinische Daten und Produktionsprozesse

Herausforderungen für Hersteller von New Devices

📌 Längere Zulassungszeiten durch höhere regulatorische Anforderungen
📌 Strengere Evidenzanforderungen für Sicherheits- und Leistungsnachweise
📌 Erhöhte Kosten für klinische Studien, Konformitätsbewertungen und Post-Market-Surveillance (PMS)
📌 Zunehmende Marktüberwachung durch EUDAMED und UDI-System


Fazit

Ein “New Device” ist ein Medizinprodukt oder In-vitro-Diagnostikum, das neuartige Technologien, Indikationen oder Materialkombinationen einführt und somit keinem bestehenden Gerät entspricht. Diese Produkte unterliegen umfangreichen regulatorischen Prüfungen, insbesondere hinsichtlich Risikobewertung, klinischer Evidenz und technischer Dokumentation. Hersteller müssen die Anforderungen der MDR und IVDR frühzeitig in ihre Entwicklungsstrategie einbinden, um die Marktzulassung effizient zu erreichen.

Ugur Müldür